KONZERT – Gypsy-Swing & Balkan-Jazz
SCHNEEBERGER & BAKANIC QUARTETT | »Avanti, avanti«
Freitag, 13. September 2024 | 20:00 Uhr
SCHNEEBERGER & BAKANIC QUARTETT | »Avanti, avanti«
Zwei Virtuosen fusionieren ihre kreativen Kräfte: Der Gipsyjazz-Gitarrist Diknu Schneeberger und der stilistische Tausendsassa am Akkordeon, Christian Bakanic. In der internationalen Musikszene fest verankert, schlagen sie gemeinsam einen neuen Weg ein, der geprägt ist von spieltechnischer Exzellenz und musikalischem Erfindungsreichtum. Eine Schubladisierung: unmöglich! Es sind eigenständige Klangwelten, die Schneeberger und Bakanic im Spannungsfeld von swingendem Gipsyjazz, feurigem Balkangroove, lyrischen Melodien und kammermusikalischer Kompositionsform zaubern und durch improvisatorische Spontanität lebendig werden lassen.
Ihr gemeinsames Debütalbum trägt den Titel „Avanti, avanti“ – italienisch für „Los geht’s, vorwärts“. Er steht synonym für die zielstrebige Zusammenarbeit von Schneeberger und Bakanic, die von Martin Heinzle am Kontrabass und Julian Wohlmuth an der Rhythmusgitarre, getragen wird. Das titelgebende Stück „Avanti, Avanti“ eröffnet das Album auch: Ein rasanter Polka-Ritt mit galoppierenden Soli, mit denen die Musiker zu neuen Ufern aufbrechen. Zugleich eine Einladung an das Publikum, den neuen, ereignisreichen Pfaden von Bakanic und Schneeberger nachzuspüren und ihren spannenden und berührenden Geschichten zu lauschen.
Insgesamt sind es zehn Stücke – fünf von Bakanic, fünf von Schneeberger –, die auf diesem Album vereint sind und von erhellenden Momenten, den eigenen Wurzeln und fernen Abenteuern erzählen. Spanisches Lokalkolorit mit Anklängen an südamerikanischen Tango gibt es etwa in Schneebergers „Abundancia“. Elegisch geht es in Bakanics „River Tales“ zur Sache. Hier schimmert auch genuin österreichische Volksmusik durch – und das liegt nicht zuletzt am Instrument, zu dem Bakanic greift: der Steirischen Harmonika.
„Das ist mein erstes Instrument, ich komme ja eigentlich aus der Volksmusik“, schildert Bakanic. „Da hat sich auch einiges getan im Instrumentenbau. Der Klang der Steirischen ist nicht mehr so grob, aber immer noch so speziell und unmittelbar, dass er direkt ins Herz geht.“ Nicht nur „River Tales“, auch Bakanics Kompositionen „Avanti, Avanti“ und ganz besonders „Pannonia“ sind vom Klangbild dieses diatonischen Instruments geprägt. „Da beschreibe ich die Landschaft, aus der ich komme“, erzählt der Südburgenländer. „Die Alpenausläufer, dann sieht man von dem Hügel, auf dem ich aufgewachsen bin, auf die pannonische Tiefebene bis nach Ungarn. Und ich finde, das hat eine spezielle Stimmung, die, wie ich glaube, das Lied ganz gut trifft: Warme Akkorde, warmer Sommer, ein bisschen die Kühle der Alpen noch im Rücken – das ist für mich Pannonia.“
Hinsichtlich des Blicks auf die eigenen Wurzeln, gibt es auch eine Entsprechung bei den Kompositionen von Diknu Schneeberger: „Swing de Vienne“. Hier offenbaren sich die musiktraditionellen Ursprünge des Gitarristen. Schneeberger, der aus einer Sinti-Familie stammt, spinnt in dieser Nummer eine improvisierte Melodie vom Urvater des Gipsyjazz und ebenfalls Sinti-Volksgruppenangehörigen Django Reinhart weiter. Die heitere Nummer hat Schneeberger vor längerer Zeit gemeinsam mit seinem ehemaligen Gitarrenlehrer, Mentor und Rhythmusgitarristen geschrieben. Schneeberger hat der Komposition mit einem neuen Swing-Feeling nun im wahrsten Sinne neuen Schwung verpasst, zu dem Schneeberger und Bakanic in einen angeregten musikalischen Dialog treten.
Solche Dialoge gelingen freilich nur mit einer eingespielten Rhythmusgruppe, und auch die ist in diesem Quartett von Exzellenz geprägt: Mit Julian Wohlmuth liefert ein versierter Rhythmusgitarrist eine variantenreiche und ausgeklügelte Begleitung. Der Kontrabassist Martin Heinzle, sowohl im Jazz als auch in der Klassik ausgebildet, liefert ein grooviges Fundament und greift gelegentlich sogar zum Bogen. „Ich baue sehr auf sie“, bekräftigt Diknu Schneeberger, „Wir sind eine Band, niemand ist austauschbar. Martin und Julian sind vollwertige Mitglieder und bringen sich bei den Arrangements und der Albumproduktion genauso ein.“ Mit der nach Osteuropa verweisenden Nummer „Vatra“, zu Deutsch „Feuer“, bringen die vier die Stimmung derart zum Kochen, dass sogar Heinzle für einen Moment aus der Rhythmusgruppe hervortritt. Während Bakanic das Akkordeon in ein Perkussionsinstrument verwandelt, sorgt Heinzle mit einem bebenden Solo für weiteren Brennstoff, der die ungezügelte Spiellust der vier Musiker weiter anheizt.
Heiß her geht es auch in Schneebergers Stück „Herz entflammt“. Mit einem funkigen Riff samt Backbeat bringt er in der Komposition jenes Gefühl zum Ausdruck, das ihn bei der Geburt seines Sohnes übermannt hat: „Mein Herz hat sich so gefühlt, als ob ich wieder ein Kind gewesen wäre, diese Frische, dieser Quell von Leben, dieses Unschuldige.“ Und noch zwei weitere Nummern sind dem Nachwuchs gewidmet: Für seine Tochter hat Bakanic „Valse pour Louise“ geschrieben. Der Musette-Walzer ist von einer liebevollen Melodie geprägt, die eine gute Portion „Joie de vivre“, die sprichwörtliche französische Lebenslust, aufkommen lässt. In „Yuna“ wiederum verarbeitet Schneeberger einen melodischen Einfall, der ihm in den Sinn gekommen ist, als er seine Tochter im Arm haltend in den Schlaf gesungen hat. Beneidenswert, wer zu einer solch eleganten Melodie im wiegenden Rumbaschritt einschlafen darf!
Den vielfältigen Kompositionen von Schneeberger und Bakanic liegt ein stets nuancenreicher, ausbalancierter Klang zugrunde: Ein ausgeprägter Sinn für Phrasierung, fein auf die Saiteninstrumente abgestimmte Registrierungen, die Bakanic am Akkordeon wählt; verspielte Ornamente, leuchtende und präzise gesetzte Flageoletttöne und singende Bluenotes von Schneeberger – all das macht das Schneeberger & Bakanic Quartett und sein Debütalbum einzigartig. Die erhebende Wirkung, die sich in den Kompositionen entfaltet, ist nahezu beispiellos, die Dramaturgie des Albumprogramms fein durchdacht. Am Ende des Albums „Avanti, Avanti“, kehrt mit Schneebergers „Lotusblatt“ Ruhe ein und die Seele darf zum Ausklang noch einmal richtig baumeln.
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