Nachlese
Zauber an Saiten und Fäden
Die junge Besetzung des Diabelli Orchesters an diesem Abend hatte schon etwas Bezauberndes an sich. Zusammen mit der lebendigen Stückauswahl an belebenden Italienern entstand gleich mit dem ersten Stück von Girolamo Frescobaldi eine besonders heitere und persönliche Atmosphäre im Emailwerk. Stephan Höllwerth verstand es als Dirigent und musikalischer Leiter des Abends vortrefflich, seine Schützlinge zwischen dem angehenden Anspruch auf Professionalität und jugendlicher Ausgelassenheit zu balancieren und sorgte damit für ein besonders herzliches Konzerterlebnis auf sehr hohem Niveau.
Es ist schwierig in der Vielfalt des Angebotenen nach Highlights zu suchen, zweifellos waren für das Publikum die beiden Gitarrenkonzerte Vivaldis ein besonderes Hörerlebnis, für ersteres verbürgte sich der Gitarrenvirtuose Pal Paulikovics persönlich, im zweiten Stück inspirierte die Anwesenheit des Meisters Lena Pötzelsberger und Chiara Sophie Gruber zum feinsten Hörgenuss mit dem Diabelli Orchester als denkbar schönsten Rahmen. Für die Liebhaber des Neoklassizismus spielten die jungen Musiker in Begleitung ihrer erfahrenen Mentoren die Antiche Danze De Arie von Respighi. Respekt!!
Der zweite Teil des Abends barg eine funkelnde Besonderheit. Zum ersten Mal trat ein Ensemble des Salzburger Marionettentheaters im Rahmen einer Kooperation mit dem Mozarteum im Emailwerk auf. Ein Moment voller Aufregung, nicht nur für die Besetzung des Diabelli Orchesters, die sich lange darauf vorbereitet hat, sondern auch für das Publikum. Denn – Hand aufs Herz – wann war ihre letzte Begegnung mit einer Marionette? Und gemeint ist nicht der menschliche Hampelmann aus der Politik. Die pittoreske und wörtlich fabelhafte Welt, die sich auftut, sobald der Vorhang gehoben wird und die Marionetten zum Leben erwachen, ist schlichtweg herzergreifend. Nach dem Grund der Faszination zu fragen, die den Zuschauer von der ersten Sekunde erfasst, ist müßig. Es kann der verbleibende Raum für Fantasie sein, der zwischen lebensechtem Spiel und echtem Leben bleibt. Es kann der Zwiespalt zwischen Herz und Hirn sein, der einmal verführt, die Puppen als Lebewesen zu begreifen und ein anderes Mal an die virtuosen Fädenspieler hinter der Fassade zu denken. Die Puppen spielen im Grenzbereich zwischen Märchen und Realität. Zu echt und nah für das eine, zu viele Fäden für das andere.
Wenn also Serpina, Umberto und der wortkarge Capitan Tempesta durch die bezaubernde Szenerie von Ort zu Ort eilen, wenn die feingliedrigen Bewegungen durch die kurzen Fäden der Kleinbühne so vorlaut und ausdrucksstark werden, dann regiert das Kind auch im ältesten Zuschauer. Aber nicht zu viel. Es bleibt noch genug Verstand hinter dem Herz, um das famose Spiel des begleitenden Diabelli Orchesters wahrzunehmen und auch, um Silvia Moroder und Max Traveller ein ganz besonderes Lob auszusprechen. Die beiden virtuosen SängerInnen aus dem Mozarteum sorgen, im Halbschatten neben der Puppenbühne, dafür, dass Serpina und Umberto mit großartigen Stimmen an das Publikum herantreten können.
Dem Ensemble des Marionettentheaters sei an dieser Stelle auch herzlich gedankt. Wer weiß schon, wie viele Jahre Übung und Hingabe es braucht, um den getäuschten und geplagten Umberto so darzustellen, dass das gesamte Auditorium spürbares Mitleid mit dem Alten fühlt. Sich von diesem kunstfertigen Spiel einen Abend lang verzaubern lassen zu dürfen, war ein außergewöhnliches Erlebnis.
(mw)