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27.10.2025 10:00 - Uhr

Von Kaktus bis Metallica – StimmLos liefert 30jähriges Vokalkompendium

Es gibt Konzerte, nach denen man heiser, beseelt oder einfach nur glücklich ist. Und dann gibt es StimmLos – acht Herren, die beweisen, dass man auch ganz ohne Instrumente eine ganze Big Band, ein Orchester und eine Portion Chaos auf die Bühne bringen kann. Am 24. Und 25. Oktober 2025 lud die Vokalgruppe ins Kulturhaus Emailwerk in Seekirchen zum Konzert „25+5“. Was das genau bedeuten sollte – 25 Jahre Jubiläum plus fünf Jahre Corona-Pause, plus fünf graue Haare pro Mitglied oder einfach eine musikalische Umschreibung für 30 Jahre A-Cappella-Unwesen, wer weiß? Sicher war nur: Es sollte gefeiert werden. Und zwar mit Stimmbändern, Witz und einem Publikum, das sich kaum auf den Stühlen halten konnte.

Wer StimmLos noch nie live erlebt hat, sollte sich das so vorstellen: Acht Männer betreten die Bühne, und innerhalb von Sekunden verwandelt sich der Saal in ein akustisches Wimmelbild. Da wird geschnipst, gesummt, gebrummt, gepfiffen und gelegentlich in falsettartige Höhen geschossen, die selbst Glas vibrieren lassen. Und das alles mit einer Selbstironie, die irgendwo zwischen Wiener Schmäh und britischem Monty-Python-Humor pendelt. Das Konzert begann mit einer Mischung aus Nostalgie und „Jetzt-geht’s-los“-Gefühl. Schon beim ersten Stück, dem ohrwurmtauglichen „Mama Loo“, war klar: Diese Herren sind keine Chorknaben (auch wenn sie manchmal so tun). Vielmehr sind sie stimmliche Alleskönner, die mit sichtlicher Freude jede Grenze zwischen Musik und Klamauk niederreißen.

Das Programm war der bunte Gegensatz zur schwarzen StimmLos-Einheitstracht. Von „Nothing Else Matters“ – in einer Fassung, die James Hetfield vermutlich gleichzeitig gerührt und leicht irritiert hätte – bis „Mein kleiner grüner Kaktus“, das mit choreographierter Topfpflanzen-Pantomime dargeboten wurde, war alles dabei. Der Spagat zwischen Metal und Comedian Harmonists? StimmLos macht das mit links. Und mit viel Augenzwinkern. Besonders charmant waren Dialektnummern wie „I bin a Weh“ – eine Hymne an die Selbstmitleidskultur, die irgendwo zwischen Wiener Kaffeehaus und Selbsthilfegruppe für überforderte Männer angesiedelt ist. Das Publikum kugelte sich.

Natürlich kann StimmLos auch anders. Der Abend hatte nicht nur Blödelei, sondern auch Gänsehaut. Bei „And So It Goes“ von Billy Joel wurde es plötzlich still im Saal. Kein Rascheln, kein Hüsteln – nur acht Stimmen, die sich zu einem samtweichen Klangteppich verwoben. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen man merkt: Diese Männer können nicht nur lustig. Sie können auch berühren und nach Herzen greifen. Doch kaum hatte man sich emotional gesammelt, kam auch schon die nächste Wende: „Die Blume aus dem Gemeindebau“. Ein Stück Wiener Klassiker Schmäh in Reinform, bei dem die Herren sichtlich in Erinnerungen zwischen Hausverwaltungen, Balkonpflanzen und der ersten Liebe schwelgten. Da blieb kein Auge trocken, zumindest nicht vor Lachen.

Im zweiten Teil des Abends ging’s dann endgültig in die Vollen. Mit „Breakfast at Tiffany’s“ lieferte StimmLos eine charmant-rotzige Version, die irgendwo zwischen Boyband-Parodie und Lagerfeuer-Romantik schwebte. Und als schließlich „Dancing Queen“ erklang – begannen die schwarzen Anzüge der acht Herren im Abba Stil zu glitzern, komplett mit Choreografie an der Agnetha und Anni-Frid ihre Freude gehabt hätten.  Das Publikum war nicht nur dabei, sondern mitten im Groove. Es wurde mitgeklatscht, gewippt und gelegentlich sogar leicht getanzt – soweit das die Sitzordnung im ausverkauften Emailwerk zuließ.

Der Höhepunkt – zumindest was die Stimmbänderbelastung betrifft – war eindeutig „Speedy Gonzales“. Der Tenor legte dabei eine vokale Geschwindigkeit an den Tag, die irgendwo zwischen Oper und Formel 1 lag. Das Publikum johlte, und man hatte den Eindruck, dass sogar die Lüftung im Emailwerk kurzzeitig beschleunigte, um mitzuhalten.

Zwischen den Liedern plauderten die Herren mit charmantem Selbstbewusstsein über 30 Jahre Bühnenwahnsinn (oder, wie sie es nannten, „25+5 Jahre Überleben in der Stimmlos-WG“). Paul Herbst beschenkte als Moderator des Abends das Publikum mit allerlei Anekdoten, im Speziellen über das Älterwerden aber auch ganz allgemein über den StimmLos-Werdegang durch die Jahrhunderte.

Dass StimmLos trotz der langen Zeit immer noch mit derselben Spielfreude auftritt, war in jeder Note zu spüren. Vielleicht liegt es an der freundschaftlichen Dynamik, vielleicht an der Liebe zur Musik – oder schlicht daran, dass acht Männer gemeinsam einfach mehr Blödsinn anstellen können als einer allein. Und wenn in der Zugabe „Blackbird“ und „Der Gschupfte Ferdl“ aufeinanderprallen – dann war man mit Sicherheit in einem StimmLos Konzert.

Das Konzert „25+5“ war eine mitreißende Mischung aus Jubiläum, Jux und musikalischer Finesse. StimmLos zeigte, dass a cappella nicht nur beeindruckend klingen, sondern auch Bauchmuskeln strapazieren kann. Zwischen perfekt gesetzten Harmonien und charmant-chaotischen Zwischenansagen schimmerte immer wieder das durch, was diese Gruppe so besonders macht: Sie nehmen die Musik ernst – aber sich selbst kein bisschen.

(mw)