Nachlese
Und wir werden erzählen – wir waren dabei!
Klavier und Vibraphon im Duett zu erleben, ist eine seltene, wenn auch nicht einzigartige Erfahrung. Wenn hinter den beiden Instrumenten dann noch Prinzipale ihres Fachs stehen, dann muss man sich als Zuhörer sehr bewusst sein, dass man etwas zu hören bekommt, was bisher nur wenigen Menschen zuteilwurde.
Martin Gasselsberger (Piano) und Tim Collins (Vibraphon) gehören an ihren Instrumenten zweifellos zur virtuosen Oberliga im Allgemeinen und im Jazz im Besonderen. Ihre unheimliche Präsenz schöpfen die beiden Künstler nicht aus der erhebenden, getragenen Weite, sondern mehr aus einer subtilen Kleinteiligkeit, aus deren fast unhörbaren Nuancierungen ganz großartige Klangbilder entstehen. Wären die beiden Maler, sie würden vermutlich der Stilrichtung des Pointillismus angehören. Ihre Kompositionen sind bis in das letzte Detail durchdacht, nichts bleibt dem Zufall überlassen und dennoch wirken die aus so vielen Details zusammengebauten Stücke in ihrer Ganzheit ganz außergewöhnlich atmosphärisch und lebendig.
Als Zuhörer stellt man sich an diesem Abend vorrangig zwei Fragen: Wie um alles in der Welt spielt man ein Vibraphon mit 4 Schlägel gleichzeitig? Und welcher Kunstfertigkeit muss man sich bedienen, damit zwei Instrumente, die jedes für sich wahnwitzig schnell gespielt werden, zu einem so mitreißenden Einklang zusammenkommen? Aber soll man sich von derlei technischen Details ablenken lassen? Besser nicht, denn obgleich die Mehrheit der gespielten Stücke noch immer keinen Titel erhalten haben (auch das ein technisches Detail ohne weitergehende Bedeutung), sitzt man mit staunenden Ohren im Publikum und wird von Martin Gasselsberger und Tim Collins einfach mitgerissen. Es ist schwierig in Worte zu fassen, wenn man den beiden nicht selbst anhörig wurde, in vielen Stücken setzt sich eine ganz eigene Art einer beschwingt-temperamentvollen Erotik fest. Weniger die laszive, schwere Anmutung wie sie eine rauchige Stimme aufwecken könnte, es ist mehr eine verspielte Sinnlichkeit, der man sich als Zuhörer*in einfach nicht entziehen kann. In der Kurzfassung – es fühlt sich nicht wie das Streicheln auf der Haut, sondern wie das knisternde Prickeln unter der Haut an…
An diesem Abend ging man mit der sehr erhebenden Einsicht nach Hause, heute Teil etwas sehr Rarem und Kostbarem gewesen zu sein und wenn auch nur als Zuhörer. Ein ganz wunderbares Gefühl nach einem ganz wunderbaren Abend.
(mw)