Nachlese
Troubadour auf gut Wienerisch
Ernst Molden ist ein brillanter Geschichtenerzähler. Er hat die lange Tradition von Troubadouren und Geschichtenerzählern um eine zutiefst wienerische Variante bereichert. Seine Texte sind eine intime und beißende Beobachtungsreise in das Leben dieser besonderen Stadt, die auch Wiener, die seit Generationen hier wohnen, immer wieder überrascht. Für die Sensiblen unter ihnen aber schafft er Bilder, die hör-, greif- und sichtbar werden in einem Solokonzert von Ernst Molden. Manchmal scheint sich sogar der Duft des Donauufers in der Nähe des Alberner Hafens in den Konzertraum zu verirren.
Molden schafft mit lyrischer Sensibilität in seinen Liedern und Texten ein Bild des Wieners, der zwar keine Wunder vollbringen kann, aber davon überzeugt ist, dass gerade er das Beste aus seinem Leben macht, auch wenn es manchmal schlecht ausgeht. Es gibt halt keine soziale Gerechtigkeit. Macht nix. Die Wiener leben ihre ganz eigene moralische Gerechtigkeit. Das alles arbeitet Ernst Molden in unzähligen Facetten heraus. Seine schamlos poetischen Grübeleien über das zeitgenössische Leben und die menschliche Situation im Allgemeinen bilden die Essenz seiner oft berührenden Herangehensweise an das Musikmachen und Erzählen.
Aber: Jede Geschichte braucht jemanden, der zuhört. So geschehen im Seekirchner Emailwerk am ersten Tag des Februar 2020. Das Publikum erlebte einen Abend, der intim, schrill, leise, bestätigend und verunsichernd zugleich, aber am Ende unglaublich lustvoll war. Diese Zuhörer würden, wenn sie dazu in der Lage wären, Ernst Molden einen fixen Platz im Pantheon der großen Volksliedermacher unserer Zeit sichern. Die Veranstalter übrigens auch.
(lf)