Nachlese

13.02.2023 10:00 - Uhr

So, wie man’s spricht...

Es ist schwierig ein Konzert im Nachhinein in Worte zu fassen, wenn dieselben fehlen. Georg Breinschmid (Kontrabass), Benjamin Schmid (Geige) und Thomas Gansch (Trompete) - dabei könnte man es belassen. Drei Namen, die für alles stehen, was Musik und Musiker ausmachen. Die praktisch fehlerlose Beherrschung ihrer Instrumente, herausragende Virtuosität, geniale kompositorische Fähigkeiten und das bilderbuchmäßige Talent zur Improvisation. So, das wär’s dann eigentlich. Aber die etwas technisch anmutende Beschreibung dieser begnadeten Musiker ist unverzeihlich lückenhaft. Die Matinee „Brein, Schmid & Gansch“ war von der Sorte Event, die unauslöschlich in Erinnerung bleibt und von der man ein Leben lang erzählt, immer beginnend mit den Worten „Weißt noch, damals im Emailwerk…“.

Beginnend mit dem ersten Stück hat man das Gefühl, nicht in einem Veranstaltungssaal zu sitzen, sondern eher – in einem Wirtshaus. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, da sitzen drei gute Kumpels am Tisch, spielen Karten und nebenbei rennt der Schmäh, genauso selbstverständlich fühlt es sich an. Da ist nichts Anstrengendes, nichts Konzentriertes, alles ist entspannt, locker. Ganz so wie Kumpels über Gott und die Welt palavern, machen die drei genialen Virtuosen eben Musik. Sie spielen so wie andere quatschen, sie musizieren, wie man’s spricht. Diese so unangestrengte, heimelige Anmutung steht so sehr im Widerspruch zur wahnwitzigen Komplexität der Stücke und drückt zugleich so gut aus, was die drei Musiker ausmacht – sie können’s einfach. Die Natürlichkeit und Sympathie ihrer Performance ist angesichts dessen, was man zu hören bekommt, schon beinahe unwirklich. Und doch so selbstredend, dass man wirklich Mühe hat, das auf einen Nenner zu bringen.

Da gibt es Stücke wie Breinschmids „Reminiszenz“, die einen in kontemplativer Jazz-Art dahintragen, Thomas Gansch‘ „Split-Lip-Shit-Twist“, bei dem nicht nur die Füße zu tänzeln, sondern auch schon der Hintern zu wackeln beginnt, Benjamin Schmids Hommage an Marie Therese von Paradis mit dem Titel „Sicilienne“, einerseits jazzig, andererseits mit so liebevollen Harmonien, man vergisst sich selbst, so sehr wird man von Empfindungen eingehüllt. Das Trio verbirgt nicht, dass das gemeinsam Herz für den Jazz schlägt, was es aber nicht daran hindert, praktisch jede andere Stilrichtung, sei es Klassik, Reggae, Filmmusik, ja sogar Musical darin aufzulösen wie ein Stück Würfelzucker in Jasmintee.

Natürlich bleibt nicht aus, dass die drei Herren in ihrer jeweiligen Disziplin auch das obligate Solo zum Besten geben, sollte man meinen. Aber auch hier kommt es anders. Wenn man in gewohnter Absicht das vermeintliche Solo zu entdecken glaubte, kam zwei Stücke später ein anderes, das dem vorhergehenden etwas das Wasser abgrub. So steigerten sich Breinschmid, Schmid und Gansch von WOW über WAHNSINN bis unfassbar und das in einer vereinnahmenden und heiteren Unaufgeregtheit, die jegliche Relation zum Dargebotenen missen ließ. Man witzelte auf der Bühne mit- und übereinander wie im Wirtshaus, ließ das Publikum Teil der geselligen Runde werden und ergoss sich eine Minute später mit einer Komposition in den Saal, die an Tempo, Facettenreichtum und musikalischer Artistik mit nichts je Gehörtem zu vergleichen ist.

Nein, der Versuch, so ein Konzert in Worte zu fassen, ist zum kläglichen Scheitern verurteilt. Worte sind Worte, Musik ist Musik und es ist allein „Brein, Schmid & Gansch“ vorbehalten, Musik zu machen, so wie man’s spricht…
(mw)