Nachlese

18.07.2022 11:00 - Uhr

So geht Rock

Es ist dunkel im Raum. Auch auf der Bühne. Sehr dunkel. Vier Barhocker stehen da und warten. Ein schwarz gekleideter Sänger betritt die Bühne. Das Licht bleibt, wie es ist. Leise hört man einen Fotografen fluchen, als drei weitere Schwarzmänner folgen und sofort mit "Human" von Rag'n'Bone Man starten. Der Song ist eindringlich und intensiv, schon wegen der unvergleichlichen Stimme von  Leadsänger Luc Devens. Gemeinsam mit Phillip Schröter, Miklós Németh und Lucas Blommer ist er Rock4. Eine A-Cappella-Rockband, die das Publikum in atmosphärisch stimmungsvolle Erkundungen in die Welt des klassischen Rock und Pop mitnimmt. Diese Vier wissen, wie man Hits auswählt. Als Quellen dienen Led Zepplin, Beatles, Sting, Pink Floyd, Massive Attack, Soundgarden, Genesis, David Bowie und Billie Eilish, um nur einige zu nennen.

Leadsänger Luc Devens singt die meisten Soli und moderiert auch den Abend auf höchst amüsante Weise. Dabei spielt er mit Klischees, die auf der Herkunft der vier Musiker basieren, zwei aus Holland, einer aus Ungarn, einer aus Österreich. Dennoch: Devens drängt sich nicht in den Vordergrund, er hat stets Kontrolle über den Gesamtklang. Trotzdem - er ist mit seiner prätentiösen Art zu singen, sich zu bewegen, und vor allem sein Fingerspiel mit dem Mikrofon unglaublich präsent. Der fluchende Fotograf zeigt sich versöhnt, leider sind nun Dreiviertel der Aufnahmen nur vom Leadsänger, gemeinsame Bilder aller Sänger gibt es kaum. Es ist - wie gesagt - zu dunkel.

Genau in diese Dunkelheit passen aber viele der Songs: "Teardrop" von Massive Attack (auf Wunsch der Veranstalterin), "Blackbird" von den Beatles oder "Goodbye Blue Sky" aus der Feder David Gilmores aus dem Album "The Wall" von Pink Floyd. Diese nachdenkliche, balladenhafte Phase des Konzerts ist fast bedrängend und einhüllend, aber wunderschön. Devens Stimme ist wie ein akustisches Chamäleon, das sich mit jeder subtilen emotionalen Veränderung wandelt. Gerade bei "Uninvited" übertrifft er mit seinem Ausdruck den unglaublichen Schmerz der Urheberin Alanis Morissette.

Doch die vier dunklen Gestalten können auch anders. Richtig zur Sache geht es dann  mit "Land of Confusion" von Genesis, oder "Bad Guy" von Billie Eilish, wo nur mehr Luc Devens und Phillip Schröter die Bühne rocken. Den Höhepunkt der Dynamik erreicht das Konzert mit "Whole Lotta Love", wo man wirklich hören kann, wie Devens jammert und seinen inneren Robert Plant nach außen stülpt. Und wenn wir schon beim Thema Led Zeppelin sind, der Schlagzeuger Phillip Schröter treibt diese Nummer auf unvergleichliche Weise. Sein Solo ist atemraubend, und er zeigt genau die Energie, die den Song vorantreibt. Denn eines sollte nicht vergessen werden: Das treibende Schlagzeug ist in der Rockmusik unglaublich wichtig, und Schröter ist der beste Vokaldrummer, den sich Rock4 wünschen kann. Doch auch Miklós Németh agiert überragend, wenn er mit den tiefen Bass-Parts das akustische Fundament liefert, Lucas Blommers sorgt mit seiner Tenor-Stimme und seiner Gesangserfahrung aus hochkarätigen Kammerchören für eine schöne Verbindung der Stimmen in den Arrangements.

Alles in allem ein mehr als würdiger, mitreißender und bewegender Abschluss der achten O-Ton-Days, nun erstmals kuratiert von Melina Berka. Klasse. Besser geht‘s nicht.

(lf)