Nachlese
Seven String Wonder
Dass uns die Lateinamerikaner in Sachen Rhythmus und Feeling etwas voraus haben, ist jetzt wirklich keine Neuigkeit. Wir denken an die erotischen und energiegeladenen Samba-Rhythmen die einem schon beim Zuhören die Fußsohlen zum Qualmen bringen. Aber es gibt auch eine musikalische Welt abseits von Rio und Karneval. Aus dieser Welt kommen der Gitarrist Michi Ruzitschka, seine Partnerin und Stimme Thamires Tannous und Louis Ribeiro, der brasilianische Wahl-Wiener an der Percussion.
Das Offensichtliche zuerst: Ruzitschka ist nicht brasilianischen Ursprungs. Aber nach 15 Jahren in diesem Land ist die Transformation seiner musikalischen Gene in das Brasilianische abgeschlossen. Sein zweites Ich und Alter Ego ist die 7-saitige Akustik-Gitarre. Und das mit dem Alter Ego darf durchaus wörtlich genommen werden. Ruzitschka und Gitarre sprechen miteinander, sie tragen sich gegenseitig lyrische Verse vor, gehen in hitzigen Diskussionen auf oder bequatschen den State of Life in São Paulo. Als Zuhörer hatte man nicht eine Sekunde das Gefühl, dass Ruzitschka auf diesem Instrument spielt. Das Fehlen jeglicher Anstrengung oder einer kleinen Falte über den Augen als Zeichen eines Anflugs von Konzentration vermittelt vielmehr eine wundersame Art von Selbstverständlichkeit auf diesen Saiten, die in keinem Verhältnis zu dem steht, was dem Auditorium an musikalischer Brillanz angeboten wird. Eine glatte Sieben auf der 5-stufigen Wow-Skala.
Vielleicht spiegelt diese unangestrengte Lässigkeit aber auch den generellen Zustand brasilianischer Musiker auf der Bühne wieder, denn Louis Ribeiro verbarrikadierte sich 4 Meter weiter rechts hinter geschätzten 28 Percussion-Instrumenten und bediente sich dieser mit der Unbekümmertheit eines Lego spielenden Kindes. Alleine das atemberaubende Zusammenspiel der beiden Musiker zeugte von deren hochgradigem Können. Der Vollständigkeit halber sollte an dieser Stelle der eine oder andere Titel aus diesem sagenhaften Programm genannt werden – aber ganz offen gesagt ist das österreichische Ohr viel zu patschert um dem klanghaften brasilianischen Portugiesisch einzelne Buchstaben zuordnen zu können.
Dafür bietet das Adjektiv ‚sagenhaft‘ eine prima Überleitung zu Thamires Tannous, die der brasilianischen Folklore für diesen Abend ihre Stimme lieh. Auch Tannous‘ gewinnende Leichtigkeit und über alle Maßen empathische Interpretation vom brennend leidenschaftlichen Tanzlied bis zum lasziven Paarungsrhythmus, charakterisieren das, was wir unter „etwas im Blut haben“ verstehen. Das Trio macht nicht Musik – es IST Musik. Alles auf der Bühne schwingt im Gleichklang um dem gerade beschriebenen Gefühlszustand Ausdruck zu verleihen. Vermutlich ist es dieser intime Zustand, der diesen brasilianischen Abend zu einem so intensiven Erlebnis machte.
(mw)