Nachlese

10.10.2022 09:00 - Uhr

Ois steht stüh!

Muss man John Dowland kennen, um sich im Programm „In Finstan“ von Agnes Palmisano zurechtzufinden? Nein, man muss nicht, aber da und dort schadet es nicht, um die Parallelen zu finden. Nur selten sind die Ähnlichkeiten so deutlich wie zum Beispiel beim ersten Stück „Come Again“.

Wer mit Dowland musikalisch nicht verbunden ist, findet sich in Palmisanos Programm in einem Wiener-Lied-Abend wieder, den man in vielen Teilen als durchaus „klassisch“ ausmachen kann. Zwar könnte man vielen Dowland-Texten die Anmutung abringen, der Altmeister des Lautenliedes wäre selbst Wiener gewesen, die amtierende Meisterin des Wienerliedes versteht es aber nur allzu grandios, die Dowlandsche Melancholie in die schwarz-morbide Wiener Liedtradition einzubetten.

Irgendwo zwischen Selbstmitleid, schwarzem Humor und angriffslustigem Zynismus verweben sich die Übersetzungen Palmisanos geradezu perfekt mit der Wiener Liedtradition. „Can she excuse“ wird zu „duat ma lad“, „Wilt thou, unkind, thus reave me?“ geht über in ein würziges „foahr ob“. So lyrisch die Wiener auch sein können, um dir liebevoll zu erklären, dass du ein Idiot bist, so pragmatisch werden sie im Ausdruck, wenn sie wirklich den Rand voll haben.

Agnes Palmisano und ihre Combo bestehend aus Aliosha Biz (Violine), Andreas Teufel (Harmonika) und Daniel Fuchsberger (Kontragitarre) bilden eine perfekte Einheit auf der Bühne. Die drei Musiker sind allesamt wirkliche Prinzipale ihres Fachs, was für das Programm „In Finstan“ auch absolut erforderlich ist. Die Instrumentalwerke Dowlands gelten nicht umsonst als ein Höhepunkt der Musikgeschichte und alles andere, als vollendet gespielte Arrangements, wäre ein echter Affront gegen den englischen Komponisten. Kurz und gut – die drei Künstler sind die perfekte Wahl. So wie Agnes Palmisano in ihren Übersetzungen und Interpretationen nach den Herzen im Publikum greift und keinen Zweifel daran lässt, dass sie die ‚Grande Dame‘ des Wienerlieds ist, so berührend und aufwühlend bespielen Biz, Teufel und Fuchsberger das Genre in bester nur vorstellbarer Manier.

Der gute Dowland hätte an diesem Abend seinen Hut gezogen und wäre anschließend zum Heurigen gegangen, um seine Depression dort nach bestem Wiener Vorbild zu hegen und zu pflegen…

(mw)