Nachlese

22.01.2022 20:00 - Uhr

Lachen aus Dankbarkeit?

Nein, natürlich nicht. Zumindest nicht was Anette Postel und Peter Schnur mit ihrem Programm „Sing oper stirb“ betrifft. Aber wenn man einen Abend lang mit so viel Humor, feinen Liedern und Klängen auf das Vortrefflichste unterhalten wird, macht sich in Pandemiezeiten ein Gefühl breit, dass man vorher in dieser Ausprägung nicht gekannt hatte – man ist dankbar, lachen zu können. Ein Abend voller unbeschwerter Heiterkeit ist ein Geschenk.

Man muss kein Opernfan sein, aber es schadet nicht. Denn wenn man die Dramatik mancher Arie, die Postel kabarettistisch verarbeitet, im ach so gediegenen und leicht snobistischen Umfeld der originalen Aufführung erlebt hat, wenn man die „verstehenden“ Gesichter des Opernpublikums angesichts der oftmals so skurrilen Handlungsstränge live gesehen hat und Postel Tenöre als kleine dicke Männer mit Jesuskomplex markiert, muss man sein Zwerchfell schon gut unter Kontrolle haben.

Was Soubretten am besten können? Kochen!! Und sie sind Schlampen – allesamt.

Anette Postel filetiert die Oper vor und hinter der Bühne in satirische Leckerbissen und serviert sie dank ihrer großartigen Stimme als mehrgängiges, abendfüllendes Humormenü mit einer ordentlichen Brise Ironie. Die Leiden der Königin der Nacht? Sie darf am Abend nur zweimal kommen. Was ihr aber genügend Zeit einräumt, die jüngere Nebenbuhlerin Backstage mit Alkohol im Tee außer Gefecht zu setzen.

Oper ist kein Rosengarten - so Postels Credo. Und was sich an Drama und Intrige auf der Bühne abspielt, wird nur noch vom erbarmungslosen Kampf um Startplätze hinter dem Vorhang übertroffen. Sopranistinnen, die den ersten Ton nie treffen, Arien übers Kochen, das ständig hustende Publikum – Postel zerfetzt die gesamte Opernwelt in einem kabarettistischen Feuerwerk, dass es einem vor Lachen die Tränen in die Augen treibt und mimt die ständig gekränkte Diva dabei so gut, dass man ihr alle 5 Minuten eine Beruhigungspille reichen möchte. Die Aufgabe des Valiums übernimmt stattdessen aber ihr Bühnenpartner und Pianist Peter Schnur, der die hysterischen Ausbrüche von Postel mit dem gelangweilten Desinteresse eines abgefahrenen Autoreifens konterkariert. Sein brillantes und leidenschaftliches Spiel am Klavier, mit dem er die vor Ironie und Witz triefenden Opernaberrationen von Postel begleitet, steht im krassen Gegensatz zu seiner Rolle als ausdruckslos-gleichgültiger Gesprächspartner, der der ständig überspannten „Chanteuse“ den abgeklärten Spiegel der Realität vorhält.

„Sing oper stirb“ ist von vorne bis hinten so durchdacht und gekonnt inszeniert, dass es den Zuseher*innen keinen Augenblick aus den kabarettistischen Fängen lässt. Einen Abend lang ist alles vergessen. Anette Postel und Peter Schnur sorgen dafür, dass einem das Geimpfte aufgeht - vor Lachen…

(mw)