Nachlese

02.06.2020 10:00 - Uhr

Kultur sucht Wege

 

Mit Kunst und Kultur ist es wie mit der Liebe – sie finden einen Weg, immer. Im Emailwerk füllen die Kunstboxer den Raum zwischen totalem Lockdown und Start der ersten Veranstaltungen mit einem kultur:café. Wöchentlich von Donnerstag bis Samstag kann eine kleine Zahl von Gästen, begleitet von einem kleinen aber feinen Rahmenprogramm, Drinks und Snacks im Veranstaltungssaal des Emailwerks genießen. Es ergibt sich eine besondere Atmosphäre daraus, einmal zur Plauderei in jenem Saal zusammen zu kommen, in dem man normalerweise still und gespannt dem Geschehen auf der Bühne seine Aufmerksamkeit schenkt. Dort wo die Stühle in der Regel dicht an dicht stehen, konsumiert man zusätzlich zu einem Glas Rotwein die großzügige Weite des Raumes und nimmt den Veranstaltungssaal mit all seiner Technik, den Scheinwerfern und Bildern ganz anders wahr, als während der engen Betriebsamkeit eines Konzerts oder Schauspiels. Die Gesichter von Menschen, die sonst drei Sitzreihen entfernt gebannt auf die Bühne blicken, sitzen im kultur:café am Nachbartisch. Blicke treffen sich, Lächeln huscht durch den Raum, es ist ein fast familiärer Zustand. Verwechslungsgefahr mit einem „echten“ Café oder einer Bar besteht jedoch nicht. Dafür sorgt zum Beispiel der Musiker Richard Griesfelder, der, bescheiden vor der Bühne, hinter dem Piano sitzt und die Gäste mit feinsten Liveklängen versorgt. Oder die große Leinwand auf der Bühne, auf der Momentaufnahmen von hunderten Veranstaltungen der letzten Jahre vergangene Eindrücke wieder aufleben lassen. Themenabende versetzen die Gäste zurück in die 70er, beleuchten die Aspekte elektronischer Musik der Gegenwart oder zeigen cineastische Kleinode. Nach einem Abend im kultur:café im Emailwerk hat man jedenfalls nicht den Eindruck, eine Art kulturelles Notprogramm konsumiert zu haben. Vielmehr geht man mit dem angenehmen Gefühl der zufriedenen Entspannung nach Hause. Wären da nicht die engagierten Barleute, die ab und an mit acrylglasbewehrtem Antlitz Getränke an die Tische bringen, nichts würde an dieses Córdoba, Cordula, Corona oder wie das Teil heißt, erinnern. Woran sich die Besucher des kultur:café aber mit gutem Gefühl erinnern sollten, ist, dass sie im kultur:café nicht nur genossen, sondern auch gegeben haben: einen Beitrag zur finanziellen Überbrückung der kulturellen Durststrecke.

Vielen Dank dafür!

(mw)