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19.10.2025 16:00 - Uhr

Eine Sternstunde des Jazz

Diese Rezension beginnt mit einem Bekenntnis des Schreibers: Ich finde keine superlative Adjektive mehr außer jenen, mit denen ich Martin Gasselsbergers Musik nach seinen unzähligen Konzerten im Emailwerk Seekirchen schon beschrieben habe. Jetzt war es wieder so weit. Martin Gasselsberger gastierte mit seinem Trio TRIPLE STOCKPOT (TSP)auf ebendieser Bühne, mit im Gepäck hatten die drei noch den Vibraphonisten Tim Collins. Ich komme gleich zur Sache: Gasselsbergers Trio, angetrieben von Christian Wendt am Bass und dem erfahrenen Schlagzeuger Christian Lettner, ist meiner Meinung nach eine der stärksten Combos, die ich jemals gehört habe: Das wunderschöne, funkelnde Zusammenspiel scheint eine hochfliegende Vision zu haben, die mehr ist als die Summe ihrer Teile.

Jazzliebhaber:innen wissen sehr gut, wie wichtig das Trio in der modernen Musik ist, wie viele gute Alben heute mit dieser besonderen Besetzung veröffentlicht werden und wie viele gute Musiker:innen heute mit dieser besonderen Besetzung unterwegs sind. Das Trio schafft ein empfindliches Gleichgewicht. Je größer die Band, desto begrenzter sind die Möglichkeiten für jeden einzelnen Musiker und Musikerinnen. Jedes Instrument muss seinen Platz in der Klangpalette und im rhythmischen Schema finden. Je kleiner die Band, desto begrenzter ist die Klangvielfalt. Jedes Instrument muss eine ausreichende Vielfalt an Klängen und Phrasen bieten, um das Interesse der Zuhörer aufrechtzuerhalten.

Bei TRIPLE STOCKPOT gelingt das in beispielhafter Weise. Martin Gasselsberger ist nicht nur ein vorbildhafter Bandleader und Teamplayer, er ist ein Jazzpianist und Komponist in einer Liga, die nur wenigen vorbehalten ist. Wenn man ihn beim Spiel beobachtet, gewinnt man den Eindruck, dass jenes Gebilde aus weißen und schwarzen Tasten für ihn mehr ist als nur ein Instrument. Oft geht es nicht nur darum, was jemand spielt, sondern wie er es spielt. Was Martin Gasselsberger tut, ist auf einer ganz anderen Ebene des Klavierspiels. Er spielt das Klavier nicht nur, er berührt es, er entlockt jedem Instrument sein besonderes Klangpotenzial.

Aber nicht nur Gasselsbergers Kompositionen kamen zum Einsatz, in diesem gleichberechtigten Kollektiv kommen alle Musiker zu Wort. Die dabei entstehende Setlist oszilliert zwischen lyrisch sanften, melodischen Passagen und rhythmischen, improvisierten Teilen. In dieser Dynamik entsteht sowohl raffinierte Schönheit als auch ein energiegeladener, kreativer Ausdruck. Der Vibraphonist Tim Collins verleiht dem Ganzen dann noch eine zusätzliche Dimension. Sein Zusammenspiel mit Gasselsberger entwickelt sich zum funkensprühenden Dialog, in dem ständig Phrasen getauscht werden, die dabei entstehenden Soli ergießen sich in rhythmischer Mehrdeutigkeit und atemberaubender Geschwindigkeit, die von der Rhythmusgruppe gekonnt pariert wird.

Trotz aller individuellen Virtuosität innerhalb dieses Kollektivs: Zwar werden einzelne brillante Momente jedes Einzelnen hervorgehoben, doch das größte Lob gilt dem Zusammenspiel und der Art und Weise, wie diese Musiker ihre Parts miteinander verweben, manchmal straff und koordiniert und dann wieder frei assoziativ. Der Sound, den die vier Ausnahmemusiker dabei erzeugten, füllte den Raum 80 Minuten lang intensivst, ohne dabei an Transparenz zu verlieren.

Eine Sternstunde des Jazz. Gibts auch heute noch.

(lf)