Nachlese

06.03.2025 10:00 - Uhr

Ein Abend in Freundschaft

Poesie ist nach der Definition des Dudens die Dichtung als Kunstgattung. Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff in der Regel weiter gefasst. Wir sprechen von Poesie, wenn wir etwas Fließend-Schönes, etwas Berührendes meinen – etwas, das uns gedankenverloren umhüllt und fortträgt. Wir sprechen von ALMA. Und wenn wir von ALMA sprechen, sprechen wir von fünf Freunden: Julia Lacherstorfer (Geige, Gesang), Evelyn Mair (Geige, Gesang), Matteo Haitzmann (Geige, Gesang), Marie-Theres Stickler (Diatonische Harmonika, Gesang) und Marlene Lacherstorfer (Kontrabass, Gesang).

Das Wort Freunde ist in diesem Kontext mit Bedacht, aber gezielt gewählt. Es ist keine Hommage an die legendäre, Kriminalfälle lösende Kinderbande – obgleich Enid Blyton daran sicher große Freude gehabt hätte. Der Ausdruck Freunde beschreibt nicht nur die tiefe Verbundenheit, die die Menschen von ALMA füreinander empfinden. Er beschreibt auch, wie man sich als Zuhörer während und nach dem Konzert den Menschen auf der Bühne und deren Musik verbunden fühlt.

ALMA selbst umschreibt seinen musikalischen Fingerabdruck als zeitgenössische Volksmusik, und genauso wie einen Fingerabdruck kann man die Lieder auch empfinden: Unzählige Linien, ganz nah beieinander und doch unterscheidbar, wiegen sich aneinander, folgen einander dicht an dicht, kreuzen sich da und dort, kräuseln sich einem scheinbaren Zentrum entgegen, kommen einander hin und wieder sanft in die Quere und scheinen – wie die Verläufe eines Fingerabdrucks – keinen Anfang und kein Ende zu haben.

In vielen Liedern weben die Freunde von ALMA ihre Stimmen wie zusätzliche Instrumente in die Musik ein, was den ohnehin berührenden Stücken eine besonders ergreifende Intimität verleiht. Und genauso wie sich Fingerabdrücke aus genügend Abstand betrachtet ähneln und wie aus einem Guss erscheinen, entdeckt man beim Näherkommen einen schier unendlichen Variantenreichtum. Kein Lied ist wie das vorhergehende, und doch hat man das Gefühl, dass die durchdringende Poesie von Alma eine ist, die sich über den ganzen Abend spannt – wie ein Freundschaftsband, das Musiker und Publikum für die zu kurze Dauer eines Abends zärtlich zusammenhält.

Ja, um eine solche Szenerie und Anmutung entstehen zu lassen, bedarf es der meisterlichen Beherrschung der Instrumente. Um so dichte und nuancierte Stücke so selbstlos treiben lassen zu können, bedarf es einer Selbstvergessenheit, die man als Musiker nur erlangen kann, wenn man über sein Instrument und seine Fertigkeiten nicht mehr nachdenken muss, sondern sich nur noch seinem Fühlen und der Verbundenheit mit seinen Mitmusikern hingeben kann. Auch das die Lieder von ALMA allesamt Eigenkompositionen sind, unterstreicht die intensive Auseinandersetzung der Künstler mit ihrer Musik und dem Willen, ihre ganz persönliche Poesie hörbar werden zu lassen. Das ist ALMA – ein Abend in Freundschaft…

(mw)