Nachlese

25.01.2019 09:26 - Uhr

Drah di ham!

Ungefähr ein Fünftel aller Österreicher sind Wiener. Wäre das bei den Deutschen auch so, hätten die über 16 Millionen Berliner statt gut 6 Millionen (Kennedy nicht mitgerechnet) – und würden sich schön bedanken. Anlass genug, diese fragile Balance einmal in Form eines kleinen Wiener-Lied-Festivals aufzuarbeiten – nur zur Sicherheit. Dass es zwischen Provinz und Hauptstadt ob diesem Ungleichgewichts nicht zu offenen Feindseligkeiten kommt, liegt zum einen am phlegmatischen Wesen der Ländler und zum anderen am Wiener Charme samt Schmäh – man kann ihnen irgendwie nicht böse sein.

 

Auf zwei, die zusammen die musikalische Quintessenz von Charme und Schmäh vereinen, trifft das ganz besonders zu. Klemens Lendl und David Müller, gemeinsam besser bekannt als Die Strottern, sind die Reinkarnation aller Fahnenträger der Wiener Wesensart. Moser, Hörbiger, Qualtinger, Leopoldi, Stricker, Krakauer und wie sie alle heißen, vergießen grauschwarze Freudentränen, wenn die Strottern zu Fiedel und Gitarre greifen um dem Wiener Liedgut die Ehre zu erweisen. Wenn Lendl als Botschafter des gesprochenen Wiener Schmäh zwischen den Stücken das Wort ergreift, liegst, wie man so schön sagt, „vor Lachen auf da Erd“. Nichts ist zu heikel, keine Thema zu schwarz, dass es nicht für eine unvorhersehbare Pointe gut wäre und zu keiner Sekunde der geneigte Zuhörer unterscheiden, welche Ansage fix im Programm verankert ist und wo Lendl gerade improvisiert – wofür Kabarettisten jahrelang trainieren, das liegt dem Wiener offenbar im Blut.

 

Musikalisch gesehen zerlegen Die Strottern das klassische Wienerlied immer wieder in Einzelteile, verlieren aber nie den pechschwarzen Faden, der die Seele dieses Genres definiert. Stets bleibt das Wiener Paradoxon im Fokus: Optimistische und lebensbejahende Themen, wie Liebe und Glück werden ins sarkastische Negativ verkehrt, somit man einen glücklichen Menschen beinahe zu bemitleiden beginnt. Andererseits gewinnen Die Strottern Tod, Einsamkeit und Siechtum stets fidel-heitere Aspekte ab, die einen zur Annahme verleiten, der Zentralfriedhof müsste Wiens Partymekka sein. Oder zumindest eine begehrte Feriendestination. Im Mittelweg einigen sich Die Strottern darauf, dass zwar olles Oasch is – das aber zum Schreien komisch. So singen und zupfen die beiden großartigen Musiker von Vogerln, Aeronauten, der peckten Lydia, Würmern in der Seele und anderen Wiener Allegorien (ja – die haben eigene) mit dem beruhigenden Conclusio, dass boid a neicha Tog kummt ---- vielleicht scho morgen!

(mw)