Nachlese
Die Würde der Kunst ist nicht verhandelbar
Wenn ein Schauspieler am Ende eines Stückes die Bühne verlässt und seine Aura noch minutenlang den Raum beherrscht, spätestens dann weiß man: Hier ist gerade etwas ganz Besonderes geschehen. So war es am 6. Oktober, als Charly Rabanser sich vom Publikum des Emailwerks verabschiedete, in aller Bescheidenheit, aber mit dem Selbstverständnis, mit dem gerade zu Ende gegangenen Stück einen Pflock eingeschlagen zu haben in der teils verqueren Welt des Theaters.Er liebt das Theater, aber er weiß auch, was dem Theater gut tut und was ihm schadet. In diesem Sinne hat der große Widerständige dieses Stück geschrieben, das da heißt: „Der Theatermacher, der Theater macht, aber nicht den Theatermacher machen darf“. Wie ich meine: Ganz im Sinne Thomas Bernhards.
Zur Vorgeschichte: Es begann alles im Jahr 2014. Vor einigen Jahren wollte Charly Rabanser „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard im Neukirchner Cinétheatro auf die Bühne bringen. Rabanser wäre selbst in die Rolle des Bruscon geschlüpft, einige Mitglieder seiner Theatergruppe m² hätten die Nebenrollen gespielt. Nein, beschied der Verlag: Aufführungen von „Der Theatermacher“ seien Profi-Angelegenheit und ergo Sache größerer Theater. Die Provinz war also der Stein des Anstoßes - zu wenig und vor allem kein urbanes Publikum.
Dabei handelt Bernhards Stück von einem Schauspieler, der auf Tournee in einem kleinen Dorf Halt macht und dort versucht, sein Stück „Das Rad der Geschichte“ erfolgreich auf die Bühne zu bringen. Eigentliches Feindbild ist dem Theatermacher aber der Theaterbetrieb selbst, ironisch thematisiert Bernhard in den endlosen Monologen den Kunstbetrieb an sich. Zudem ist das Stück reich an Anspielungen auf Salzburg und die Salzburger Festspiele, und wer Thomas Bernhard kennt, weiß, wie sie gemeint sind….
Charly Rabansers Einwand, er verdiene sein Geld als Schauspieler und Regisseur, sehe sich also durchaus als Profi, ist nicht durchgegangen. Alle Rollen, beharrte der Verlag, müssten professionell besetzt sein. Der Verlag seinerseits erklärt das mit Wünschen der Erben. Noch einmal zur Erinnerung die Ironie der Geschichte: „Der Theatermacher“ ist seinerseits eine Parodie auf eine nicht zustande gekommene Aufführung. War dies das letzte Wort in Sachen „Der Theatermacher“? Er wäre nicht Charly Rabanser, wenn er auf diese harsche Zurückweisung keine Antwort gehabt hätte.
Und so kam es, dass „Der Theatermacher“ mit Charly Rabanser, Christoph Auer und Martin Gasselsberger am 6. Oktober Seekirchen auf der Bühne stand und seine ganz persönliche künstlerische Antwort auf diese Absage gab. Es ist es ein Theatermacherstück geworden, in dem sich der Protagonist Carlo Tomaso Bernhardi mit den Unbill des Lebens herumschlägt, sei es seine Minderwertigkeit gegenüber dem Schauspieler Bruscon, sei es seine Verzweiflung gegenüber der Kulturignoranz des Landvolkes, sei es seine Wut auf die Oberflächlichkeit unserer Zeit.
Rabanser verwebt in dem Stück nicht nur diese absurde Absage des Verlags und der Erben Thomas Bernhards, sondern auch vierzig Jahre persönlicher Erfahrungen als "Land"-Kulturmacher. Sei es die Ignoranz der Lokalpolitik, die Absenz von Medien außerhalb der Landeshauptstadt, die teils selbstausbeutenden Arbeitsbedingungen der Menschen, die sich am Land für die Kultur engagieren. Ein Meisterwerk voller Emotionen, Musikalität und Tiefgang! Und es ist noch ein bisschen mehr: ein Blick in die Abgründe des Verlagsgeschäfts, das am Theater klebt wie ein Parasit. Die besten Momente schafft Rabanser, wenn er aus kleinen Welten kraftvolle Bilder entstehen lässt. Die Besetzung ist gut gewählt, auch wenn Rabanser den Ton angibt: Einmal im Dialog, einmal als erzählende Chronisten, dann wieder im direkten sprachlichen Infight, immer spannend und fordernd. Dazu die wunderbare musikalische Sensibilität eines Martin Gasselsberger, das ergibt eine perfekte Mischung.
Und auch wenn Charly Rabanser beim Abschied andeutete, er werde sich möglicherweise als Kulturmacher zurückziehen, bleibt die Hoffnung, ihn als "Theatermacher" noch oft schreibend oder auf der Bühne erleben zu dürfen. Er hat wieder einmal bewiesen, was ihm Bühne bedeutet. Und das die Würde der Kunst und des Theaters nicht verhandelbar ist. Auch nicht von Verlagen.
(lf)