Nachlese
Die große Illusion
Körperillusionstheater nennt Editta Braun ihr neuestes Stück "Hydráos", zu Gast im Emailwerk Seekirchen gleich am Anfang des Kulturjahres 2020 als erster Höhepunkt dessen. Fünfzig Minuten lang bevölkern fantastische Wesen den gesamten Publikumsraum des Emailwerks, in kühles Grün und Blau getaucht, kriechend, liegend, stehend, tanzend, gehend, sie bilden abenteuerliche Figuren mit den eigenen Körpern. Es ist befremdlich, fantastisch und stellenweise unheimlich. Doch die Furcht weicht der Neugierde, was die nächste Figur darstellen könnte, lässt Frau und Mann eintauchen in eine beglückende Aneinanderreihung von ästhetischen Momenten, erstaunt lauschend den meisterhaften Klängen, geschaffen von Thierry Zaboitzeff, dem es gelingt, die Farben Grün und Blau auf eine Weise zu vertonen, dass man nicht genug davon kriegen kann. Den drei Tänzerinnen Anna Maria Müller, Martyna Lorenc, Sonia Borkowicz gelingt das schier Unmögliche. Sie entmenschlichen ihre Figur so sehr, dass man am Ende überrascht ist, dass echte Frauenkörper in den schillernden Kostümen stecken. Alles in allem: ein weiterer Meilenstein in der so besonderen Laufbahn der Editta Braun.
Niemand hat die Tanzszene in Salzburg so hartnäckig geprägt wie Editta Braun. Ihre unglaubliche Hartnäckigkeit, gepaart mit einer sehr persönlichen Ästhetik ist nur ihr anheim. Editta Brauns Stücke sind inhaltlich immer bedeutsam und am Puls der Zeit, sie thematisiert die gesellschaftlichen Abgründe genauso wie Eigenschaften, die uns Menschen überhaupt zum Menschen machen: Liebe, Angst, Eifersucht, Einsamkeit, Glück und Sehnsucht und vieles mehr. Schön bewegte Körper in schönen Bildern sind nicht ihr Ding. Das genügt Editta Braun schon lange nicht mehr. Sie ist eine, die Geschichten erzählen kann mit Körpern und Bewegungen, es gelingt ihr manchmal sogar mit Nicht-Bewegungen. Eine große Frau, die prägend für die Tanz-Szene in Salzburg war und ist. Eine wahrhaft große (Körper-)Illusionistin.
(lf)