Nachlese
Bauerntheater
Ort der Handlung: Irgendwo im Nirgendwo, ein Bauernhof, nicht ganz am Ende der Welt, aber man kann es von da aus sehen. Auf der anderen Seite sprießt das touristische Pflänzchen zwischen Apfelbaum und Hollerstaude. Die Zeiten machen, was sie immer tun – sie waren früher besser. Dem Bauern (Edi Jäger), der Bäuerin (Antia Köchl), der Bauerstochter (Magdalena Köchl) und dem Altbauern (Klaus Eibensteiner) wird die Tristesse des Hoflebens und eine gewisse finanzielle Unzufriedenheit angesichts benachbarter Tourismusprofiteure täglich bewusster.
Vom Start weg fordert die Bühnenbesatzung die Zwerchfelle des Publikums, besteht doch die Kommunikation innerhalb der Familie (sie ist ohnehin spärlich) aus einer gnadenlosen Aneinanderreihung von Stammtischsprüchen und konservativsten Aphorismen. Manch einem der maskenbewehrten Gesichter im Saal droht der Kreislaufkollaps aufgrund Sauerstoffmangels.
Edi Jäger und Anita Köchl bedienen in ihren Rollen als landwirtschaftliche Hinterwäldler natürlich aus einem Füllhorn tradierter Klischees, was die beiden zugleich unglaublich witzig und unfassbar authentisch macht. Magdalena Köchl darf als nächste Generation die Brücke zur realen Welt bauen, wofür sie sowohl im Stück als auch als Schauspielerin viel Durchsetzungskraft braucht (und auch hat). Klaus Eibensteiner glänzt in der Rolle des mehr oder weniger komatösen Altbauern, der je nach Bedarf aus der Ecke an den Tisch und wieder zurück geschoben wird. Soweit zum Setting. Vom jugendlichen Elan der Tochter ins 21. Jahrhundert gepeitscht, lässt sich die Familie überreden, am keimenden Tourismus teilzuhaben, indem man – sich selbst spielt. Busse bleiben stehen, die Reisegruppen dürfen gegen ein kleines Entgelt durch die Hoffenster in die vergangenen Jahrhunderte gucken und die Familie liefert ihre Heile-Welt-und-intakte-Natur-Performance ab. Es ist zum Schreien. Der Rest des Stücks ist im Grunde an jeder Ecke dieses Landes live mitzuerleben. Aus Darstellung wird Inszenierung. Aus Tradition wird schriller Neon-Klamauk. Die schüchterne Bauernfamilie hyped sich zum abzockenden Sound-Of-Heidi Plattitüdenfließband.
Die Conclusio: Das Geld fließt, der Mensch leidet. Im touristenverseuchten Realismus nur leider bei weitem nicht so uferlos witzig und gut gespielt wie bei „Holzers Peepshow“. Wenn die U-Boot-Sirene einen nahenden Touristenbus ankündigt, die Familie unter Rotlicht die Kampfstationen bezieht und, entsprechend kostümiert, zu einer Heidi-Szene auf Japanisch simultan die Münder bewegt, geht das schon ziemlich auf die Lachmuskeln.
Köchels, Jäger und Eibensteiner zeigen mit ihren großartigen schauspielerischen Leistungen, dass Kleinkunst sich nur auf die Größe der Bühne bezieht und nichts so schwer zu spielen ist, als das, was es tatsächlich gibt. Chapeau und vielen Dank für den unterhaltsamen, witzigen und nachdenklich machenden Abend.
(mw)