
Nachlese
Als die Cellos fliegen lernten
Dass die Geschwister Moser freiwillig darauf eingingen, zeigt deutlich, dass sie mit dieser Frage bereits oft konfrontiert wurden: „Streitet ihr denn nie?“ Ihre Antwort fällt standesgemäß aus. Das Stück nennt sich Family Time, wurde komponiert von Lukas Moser und ist ein infernales Gewitter an Disharmonien. Geige und Cello befetzten sich im ohrenaufreibenden Diskurs, das Klavier versprüht Gift und Galle und man erwartet beinahe, dass Sarah Moser ihr Cello packt und es ihren Brüdern samt gespannten Bogen entgegenschleudert. Das wäre also geklärt. Man streitet – mitunter auf das heftigste und nicht immer auf musikalischem Niveau.
Abseits gelegentlich aufkeimender, geschwisterlicher Zwietracht erlebt man die drei Ausnahmemusiker*in auf der Bühne jedoch wie einen lebenden, atmenden, ja wortwörtlich verspielten Organismus. Optisch nimmt man Sarah (Cello), Florian (Geige) und Lukas (Klavier) Moser als äußerst eigenständige und selbstbestimmte Persönlichkeiten war. Jede/r einzelne mit ganz spezifischer Gestik, unverwechselbarer Handschrift auf ihren Instrumenten, jede/r für sich in seiner/ihrer Virtuosität versunken.
Schließt man jedoch die Augen, erlebt man ein Klangbild, in dem die einzelnen Pinselstriche dermaßen perfekt zueinander passen, als wären sie keiner Entstehungsgeschichte unterworfen, sondern eine perfekt arrangierte Momentaufnahme. Einsätze, Dialoge, emotionaler Ausdruck, Interpretation, alles ist von einer nahezu unfassbaren Gemeinsamkeit, der man als Zuhörer mit ungläubigem Staunen gegenübersteht.
Das 2025er Heimspiel im Emailwerk Seekirchen stand unter dem Leitsatz „Die Wut über den verlorenen Groschen“ in Anlehnung an L. v. Beethovens Klavierstück Nr. 2, begann jedoch spielerisch mit Beethovens „Gassenhauer Trio“ (Klaviertrio Nr. 11 in B-Dur, op. 11). Beethoven erinnert noch ein wenig an Mozart und Haydn, spielt mit wunderbaren Modulationen und ist zugleich am Weg zur eigenen Handschrift. Das MoserTrio spielt mit dem Werk mit einer virtuosen Leichtigkeit, als wären es damit großgezogen worden (Sind sie??).
Das nachfolgende Klaviertrio von Leonard Bernstein gilt als nicht ganz reifes Studentenwerk des Großmeisters. Wer diese Klassifizierung für die Musikgeschichte vorgenommen hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist jedoch, dass dem Publikum einheitlich Augen und Ohren übergingen, als sich das MoserTrio mit einer Energetik durch das ohnehin lebendige Werk spielte, die die rhythmische Komplexität und das durchgehende Spiel mit den synkopischen Elementen bis zum Anschlag betonte.
Den zweiten Teil des Abends gestalteten Sarah, Florian und Lukas Moser mit Eigenkompositionen des Letztgenannten (Spiegelbilder, Family Time), dem 2. Satz von Mozarts Trio KV 548, dem 3. Satz von Schuberts Klaviertrio op. 100 und einer Variation von Beethovens vorgenanntem Klavierstück Nr. 2 „Die Wut über den verlorenen Groschen“. Es fällt schwer, die meisterhafte Genialität des Dargebotenen zu beschreiben, ohne sich in einer Aneinanderreihung von Superlativen zu verlaufen. Die Geschwister harmonieren musikalisch miteinander, als würden sie von Kindesbeinen an einzig und allein in dieser Zusammensetzung auf der Bühne stehen. Ihr brillantes Zusammenspiel, die emotionale Raffinesse, mit der sie die Werke in ihre eigenen Farben kleiden, ist so atemberaubend wie mitreißend. Nach jedem Heimspiel wähnt man die drei großartigen KünstlerInnen nahe an der Grenze des Erreichbaren und ist gelinde gesagt baff über die neu erklommene Stufe auf der Leiter der Kunstfertigkeit. Und obgleich jedes einzelne Stück je nach Neigung des Zuhörers eine Krönung des Abends darstellte, waren die von Lukas Moser erdachten Variationen von Beethovens Klavierstück Nr. 2 ein ganz außergewöhnliches musikalisches Erlebnis mit Erinnerungswert.
Liebe Mosers – bitte streitet weiter bis die Fetzen und die Cellos fliegen. Wir sehen dem nächsten Heimspiel mit erwartungsvoller Spannung entgegen!
(mw)